OZ- Redakteur Niklas Kunkel war bei uns zu Besuch zum Try-Out
In der Nacht von Sonntag auf Montag (0.30 Uhr) beginnt mit dem Super Bowl, dem Finale der US-amerikanischen Profiliga NFL, eines der größten Sportereignisse des Jahres. Auch in Deutschland werden Millionen einschalten, wenn die Kansas City Chiefs gegen die San Francisco 49ers antreten. Während American Football in den USA Volkssportart ist, hatten in Deutschland nur wenige Fans selbst bereits Kontakt mit dem eiförmigen Sportgerät.
Dabei gibts es auch in MV viele Vereine, bei denen jeder Neuling gern gesehen ist. „Beim American Football wird jeder Körpertyp gebraucht. Es werden immer schwere Jungs gesucht, die sich selbst vielleicht eher für unsportlich halten“, erklärt Christian Schwarz. Um auszuprobieren, was den Sport ausmacht, hat sich OZ-Redakteur Niklas Kunkel mit der von Schwarz trainierten Nachwuchsmannschaft bei den Stralsund Pirates auf das Feld gewagt.
Das Wichtigste zuerst: In der Kabine werden mir die Protektoren und der Helm angepasst, dann geht’s raus auf den Kunstrasen im Paul-Greifzu-Stadion. 13 Jungs bis 17 Jahre sind mit dabei. Nach kurzer Einweisung geht es los mit dem Warmlaufen. Zwei lockere Runden um den Platz sind eigentlich kein Problem, aber der ungewohnte Helm mit dem festsitzenden Kinnhalter macht sich bei mir schon jetzt bemerkbar. Danach kommt der Ball ins Spiel. Erst ein paar schnelle Sprünge über Hindernisse, dann kommt der Pass von Quarterback Bruno Mähl.
„Zum Fangen formen wir einen Diamant aus Zeigefingern und Daumen. Wichtig ist, dass der Ball mit den Händen gefangen und nicht mit dem Körper abgefangen wird“, erklärt mir der Trainer. Was zu Beginn einfach klingt, klappt bei den einfachen Zuspielen, genannt Shuffle-Pass, auch noch ganz gut. Knifflig wird es erst bei den richtigen Pässen, in die Mähl schon etwas mehr Kraft legt. Die Orientierung unter dem Helm ist gewöhnungsbedürftig und die Protektoren schränken die Bewegung doch mehr ein als gedacht. Was bei den Profis so einfach aussieht, ist in Wahrheit mit viel Übung verbunden. Bei mir prallt der Ball dagegen immer wieder auf den Helm oder den Brustpanzer. Bei den Nachwuchsspielern um mich rum klappt das schon deutlich besser.
Danach wird das Team getrennt. Die Offensivspieler üben mit dem Quarterback die geplanten Passrouten, während die Defensive an ihrem Tackling arbeitet. Ich starte in der Offensive. Fünf schnelle Schritte nach vorn, dann im 45-Grad-Winkel in die Mitte abbiegen. Der Ball kommt hoch auf mich zu, aber ich verliere ihn unter dem Helm kurz aus den Augen und segel weit drunter durch. ,Das kann doch nicht so schwer sein’ geht es mir durch den Kopf und beim zweiten Versuch klappt es. Ein super Gefühl und ich sehe mich vor dem inneren Auge schon in der NFL.
Nach weiteren mal mehr, mal weniger erfolgreichen Durchgängen wechsel ich in die Defensiv-Gruppe. „Es ist wichtig, immer den Hintern unten zu behalten, wenn man rückwärts läuft, sonst würde einem im Spiel der Gegenspieler einfach umlaufen“, werden mir die Feinheiten erklärt, die ich nicht bedacht habe – langsam merke ich, wie sich meine Oberschenkelmuskulatur meldet. Danach geht’s ans Tacklen, also das Stoppen des Gegners. Aus vollem Lauf springe ich gegen einen Ring, der etwa die Ausmaße eines LKW-Reifens hat. „Die sind noch relativ neu. Früher wurden im Training noch Spieler getackelt, aber das Verletzungsrisiko ist einfach zu hoch“, wird erzählt, nachdem ich den imaginären Gegner mit Freude über den Haufen gelaufen habe.
Zum Abschluss geht es in die Spielsituation. Offensive gegen Defensive im direkten Duell. Ich bin als Wide-Receiver, also Ballfänger, aufgestellt. Die ersten Spielzüge gehen an mir vorbei, weil der Ball schon lange unterwegs zu einem Mitspieler ist, bis ich meinen Laufweg gefunden und mich zum Ball orientiert habe. Doch dann kommt mein großer Moment: Ich kann mich vom Gegenspieler lösen und das Leder-Ei fliegt in meine Richtung. Der Pass ist etwas zu kurz, aber ich habe mich an den Helm gewöhnt und kann die Flugbahn im Blick behalten. Drei schnelle Schritte nach vorn, Richtung Ball abtauchen und schon landet der Ball in meinen Armen. Mit dem Applaus der Mitspieler stellt sich gleich wieder das gute Gefühl ein, einen Fortschritt zu merken.
Nach ein paar weiteren Spielzügen sehnen sich meine Beine nach dem Ende des Trainings, aber bevor es unter die Dusche geht, gibt es Kraftübungen für die Beine. „Beim Football sind die Beine das Wichtigste. Die machen im Spiel den Unterschied“, ruft Schwarz, während er die Mannschaft beim Wandsitzen zum Durchhalten animiert.
Dann ist endlich Schluss. Oder viel mehr ist leider Schluss, denn nach meiner ersten Trainingseinheit habe ich Gefallen daran gefunden, American Football nicht nur vor dem Fernseher zu genießen. Ich kann jedem nur empfehlen, es auszuprobieren. Denn unabhängig von Körperstatur und Vorkenntnissen wird jeder Typ beim Football gebraucht und wer es selbst versucht hat, wird beim nächsten Spiel der Profis nicht mehr so hart über nicht gefangene Bälle schimpfen.
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